Einer von vier Europäern hat Schwierigkeiten, für seinen Wohnraum zu bezahlen

Katalonien organisiert eine Online-Debatte zum Thema soziales Wohnen

Der Entitätsausschuss des Dritten Sozialsektors Kataloniens und DIPLOCAT haben heute Morgen in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Sozialpädagogik und Sozialarbeit der Pere Tarrés Stiftung - Ramon Llull Universität - die neue Gesprächsrunde Soziales Europa mit dem Thema "Recht auf sozialen Wohnraum, eine europäische Perspektive" eröffnet.

Diese erste Gesprächsrunde hat sich mit der Situation des sozialen Wohnraums aus der Erfahrung verschiedener europäischer Länder heraus befasst: Katalonien, Finnland, Schottland und Österreich, insbesondere seiner Hauptstadt Wien. An der Diskussionsrunde nahmen teil Carme Trilla, Präsidentin der Stiftung Habitat3 (Katalonien), die Sozialwohnungen verwaltet und den Zugang zu diesem Recht für Menschen in prekären Situationen sicherstellen will, sowie Juha Kaakinen, CEO der Y-Foundation (Finnland), einer Einrichtung, die sich dafür einsetzt, obdachlosen Menschen mehr erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen; Susan Aktemel, Geschäftsführerin von Homes for Good (Schottland), einer Verwaltungsstelle für Sozialimmobilien, die Menschen mit niedrigem Einkommen und Schwierigkeiten beim Zugang zu erschwinglichem Wohnraum in Glasgow und Westschottland hilft; und Georg Niedermühlbichler, Mitglied des Wiener Landtags und des Wiener Stadtrats (Österreich). Die österreichische Hauptstadt ist europaweit eine Referenz, weil die Stadt seit mehr als 100 Jahren den sozialen Wohnungsbau fördert.

Laut dem jüngsten Eurostat-Bericht "hat einer von vier Europäern ernsthafte Schwierigkeiten, seine Wohnkosten zu bezahlen, und über 40 % des Einkommens werden dafür ausgegeben", erklärte Javier Burón, Leiter der Abteilung für Wohnungswesen der Stadtverwaltung von Barcelona, die eine Untersuchung über die Situation des sozialen Wohnraums in Europa durchgeführt hat und hervorhebt, dass Spanien zusammen mit Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Ungarn zu den fünf Ländern gehört, in denen die Probleme im Zusammenhang mit dem Wohnraum am größsten sind. Burón hat davor gewarnt, dass es "Jahrzehnte dauern wird", um sich an die Wohnungspolitik anderer europäischer Länder anzunähern: "Von weniger als 2 % [des Sozialwohnungsbestandes in Katalonien und Spanien] auf 10 % oder mehr als 20 % zu kommen, ist in 2, 3, 10 oder 20 Jahren nicht möglich, aber es ist eine Herausforderung für das Land". Er prognostiziert auch, dass nach Covid-19 ein starker Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum, vor allem in städtischen Gebieten, zu verzeichnen sein wird; ein "starker Zuwachs" in der Nachfrage nach sozialem und erschwinglichem Wohnraum, vor allem, wenn außergewöhnliche Maßnahmen wie die Stundung der Miet- und Hypothekenzahlungen aufgehoben werden und folglich ein "erheblicher" Anstieg von Zwangsräumungen und Nichtzahlung der Mieten zu verzeichnen sein wird.

Die Debatte hat uns auch die Unterschiede in der Situation des Sozialwohnungsbestands vor Augen geführt. "Wenn wir die Lage in Katalonien mit anderen europäischen Ländern vergleichen, ist es praktisch kaum möglich, nicht zu den Letzten zu gehören. Hier werden 0,1 % des BIP für die Wohnungspolitik aufgewendet, verglichen mit 0,6 % in Europa", erklärte Francina Alsina, Präsidentin des Entitätsausschusses des Dritten Sektors. Eine große Herausforderung, die auf ganz andere Weise angegangen wird. "Das Recht auf Wohnraum ermöglicht es uns, andere Grundrechte der Menschen, wie das Recht auf Gesundheit und Bildung, zu gewährleisten. Doch ist die Politik der Öffentlichen Verwaltung auf dem Gebiet des Wohnungswesens in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr unterschiedlich", meinte Laura Foraster, Generalsekretärin von DIPLOCAT.

Diese Unterschiede zeigen sich zum Beispiel im Bestand von Sozialwohnungen. In Katalonien liegt der Anteil bei 1,6 % (47.000 öffentliche Wohnungen, Wohnungen von sozialen Einrichtungen und von Privatpersonen insgesamt), in Finnland bei 13 %, in Schottland bei 23 % (600.000 von Gemeinden und Verbänden, die Wohnungen verwalten, betreute Wohnungen) und in Österreich (24 %) leben mehr als 60 % der Wienerinnen und Wiener in öffentlichen oder sozialen Wohnungen, was mehr als 220.000 Haushalten entspricht.

Acht Empfehlungen

Ausgehend von den Erfahrungen verschiedener Länder konnte im Rahmen der Gesprächsrunde Soziales Europa vertieft werden, welche Aspekte und Erfolgsmaßstäbe entscheidend sind, um die Wohnungspolitik zu verbessern und den Bürgern, insbesondere den Schwächsten, den Zugang zu diesem Recht zu sichern:

  1. Klare und konkrete Regelungen: klare Definition, wer Zugang zum Sozialwohnraum hat, Förderung des Baus von Sozialwohnraum und dabei Fokussierung und Priorisierung der Qualität, Regelung der öffentlichen Unterstützung für Menschen zur Deckung der Kosten für Wohnraum usw. 
  2. Regulierung der Sozialwohnungen auf anspruchsvolle Art und Weise, um ein hervorragendes Management zu erreichen.
  3. Schaffung von mit privaten Akteuren vereinbarten Richtlinien.
  4. Gewährung von Steueranreizen für private Gebäudeeigentümer und Unterstützung der Sanierung von Wohnungen, um die Mieten niedrig zu halten.
  5. Investitionen in den Erwerb von Grundstücken für den Bau von Sozialwohnungen und damit Reduzierung der Abhängigkeit vom Privatsektor.
  6. Förderung der Beteiligung von Mietern an der Gestaltung und Entwicklung der lokalen Wohnungspolitik.
  7. Investitionen in eine wichtige professionelle Infrastruktur: Einbeziehung der Universitäten, Schaffung von Programmen zur Einbeziehung junger Menschen usw.
  8. Schaffung robuster Netzwerke zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus unter allen beteiligten Akteuren.